Sofies Welt
I sogs glei, i bins ned. Die Zielgruppe nämlich. Die beiden Protagonistinnen sind 15 und das dürfte wohl auch das Altersgruppe sein, für die Gaarder geschrieben hat. Mit 54 bin ich da etwas daneben und war ws wohl auch schon, als ich den Roman mit 26/27 (die Übersetzung ist 1993 erschienen) das erste mal gelesen habe,
Und so weiß ich nicht, ob mir mit 15 aufgefallen wäre, dass die eponyme Sofie für ihr Alter bemerkenswerte Wissenslücken aufweist (wahrscheinlich ja: Ich war ein besserwisserisches Kind). Von Newtons Gesetzen oder vom Barock müsste sie eigentlich schon einmal gehört haben. Aber der Autor braucht halt einen Vorwand, um die Antworten zu liefern, und daher muss Sofie Fragen stellen. Das ist mir auch bei einem anderen als Roman getarnten Lehrbuch (Titel und Autor vergessen - es ging um die Religionen) aufgefallen: Der Protagonist darf nie mehr wissen als der Leser - und da der Autor den Leser nicht kennt, irrt er im Zweifelsfall zum Nichtwissen.
Auch gibt es ein leichtes Missverhältnis zwischen dem erklärten Ziel Albertos, Sofie zum Fragen Stellen (und In-Frage-Stellen) anzuregen und der Art, wie er die Ideen jedes Philosophen als das jeweils beste und tollste präsentiert und Widerspruch dem nächsten Philosophen überlässt. Naja, vielleicht funktionierts ja, denn Sofie widerspricht gelegentlich mal.
Der Philosophiekurs ist in eine Handlung eingebettet, die etwas seltsam beginnt, und bald abstruser wird: Die (noch nicht ganz) 15-jährige Sofie bekommt Briefe von einem ihr unbekannten Mann, die einen Philosphiekurs darstellen. Aus dem Briefkurs wird bald Präsenzunterricht, dazwischen tauchen immer wieder Hinweise auf eine mysteriöse Hilde und ihren Vater, einen UN-Major auf. Der Wahnsinn hat aber Methode: Denn etwa zur Hälfte des Buchs stellt sich heraus, dass Sofie und Alberto (der Philosophielehrer) selbst nur Figuren in einem Roman sind, den der Major seinem Hildchen als Geburtstagsgeschenk geschrieben hat. Eine Wendung, die ich peinlich spät habe kommen sehen. Wenn der Leser also einen der Briefe von Alberto liest, dann hat Jostein Gaarder geschrieben, dass Albert Knag geschrieben hat, dass Alberto Knox einen Brief geschrieben hat. Und der Leser darf jetzt darüber spekulieren, ob er und Gaarder nicht auch Romanfiguren sind, deren Geschichte wieder jemand anderer schreibt. Das ist geschickt gemacht, und macht es mir schwer, gewisse stilistische Schwächen (z.B. Sofies mechanische Einwürfe in Albertos Monologe) zu kritisieren: Denn das ist ja etwas, das eine Romanfigur geschrieben hat, Gaarder kann das also absichtlich etwas amateurhaft geschrieben haben, um das Manuskripthafte des Buchs im Buch zu unterstreichen.
Insgesamt ein recht amüsanter, wenn auch gelegentlich irritierender Roman, der nebenbei einen Abriss über die Geschichte der (abendländischen) Philosophie liefert. Diese ist natürlich weder vollständig noch geht sie sehr ins Detail: Schließlich müssen in 600 Seiten nicht nur 2500 Jahre Geschichte, sondern auch eine Rahmenhandlung und noch eine Rahmenrahmenhandlung untergebracht werden.